Menschen sind leidende Wesen
Das Leben ist schwierig. Es ist voller großer
und kleiner Leiden, einschließlich des Erlebens und Erleidens von
Krankheiten, Alter und schließlich Tod. Menschen sind bedürftige, an den
Nöten und Sorgen ihres Alltags leidende Wesen. Sie können weder die
Auswirkungen noch die Ursachen ihres Leidens angemessen in Worte fassen.
Ihre Kranken- und chronischen Problemgeschichten bleiben auch in einer noch
so tief greifenden Psychotherapie unerzählbar. Ihr Selbst ist weder Herr im
eigenen Haus, noch sind sie der Schmied ihrer Lebensleistungen. Menschen
sind wohl zur Freiheit und zu einer bewussten Lebensführung verdammt; für
die Verwirklichung von Freiheit, Sicherheit und Gesundheit sind sie jedoch
auf Bedingungen angewiesen, die für sie unverfügbar sind, die sich ihnen
jedoch auch versagen können und obendrein einer rein wissenschaftlichen
Betrachtung unzugänglich bleiben. Menschen haben nämlich keine
wissenschaftlich beobachtbare oder methodisch nachvollziehbare Lebens- oder
Krankengeschichte, sondern sind sie selbst. Wir Menschen haben unsere
Biographie nur dann, wenn wir lernen, wie wir Teile von ihr sprachfähig
machen können. Und ändern werden wir uns nur, wenn wir einen guten Grund zu
einer Verhaltensänderung gefunden haben und davon in Ansätzen auch erzählen
können. Abhängig von irrationalen Vorstellungen , von jahrelangen,
festgefahrenen Verhaltensgewohnheiten sowie von anderen Menschen, stehen die
Menschen chronisch in der Gefahr zu irren, sich selbst und die Welt, in der
sie sich vorfinden, selektiv wahrzunehmen und gänzlich irrational auf die
Zustände und Ereignisse in dieser Welt zu reagieren.
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Die Kontrolle des Leidens
ist nicht die Antwort auf das Leiden
Nur wenigen Menschen gelingt es ihr Leben
bewusst und selbstregulierend zu führen. Aber auch denjenigen, die zu einer
bewussten Lebensführung fähig sind, bleibt der Grund ihrer Existenz und
ihres Selbstverständnisses, aus dem heraus sie handeln und entscheiden,
entzogen. So gilt es sich grundsätzlich klar zu machen: Von Natur aus auf
Freiheit und Selbstregulierung angewiesen, bleiben dem Menschen die Wurzel
seiner Selbstregulierung und seiner Gesundheit für immer verborgen. Jedoch
erlaubt das Selbstgefühl, das Bewusstsein der Menschen von sich selbst etwas
über die Bedingungen zu erfahren, unter denen das Leiden akzeptiert werden
kann und als Anleitung für ein bewusst geführtes Leben vollzieht. Aus der
Begrenztheit dieser Selbsterfahrungen folgt, dass die Menschen zur
Orientierung in der Welt, in der sie leben, immer wieder einmal auf die
kognitive Belehrung, die emotionale Anteilnahme sowie die konkrete Hilfe von
anderen Menschen angewiesen sind.
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Lernen sich selbst ernst zu
nehmen
Immer mehr Menschen sprechen mit einem
Psychologen oder einem Psychotherapeuten. Das ist heute auch ohne allzu
große Schwierigkeiten möglich und ist nachweislich auch wirksam.
Sie scheuen und schämen sich nicht länger
fremde Hilfe in Anspruch zu nehmen, um sich selbst ernst zu nehmen und z.B.
-
ihren Charakter
und ihre positiven Eigenschaften zu stärken,
-
ihre
Arbeitsfähigkeit, ihre Arbeitszufriedenheit und Leistungsmotivation zu
verbessern,
-
etwas für ihre
Gesundheit und ihr Wohlbefinden zu tun,
-
ihre körperlichen
und seelischen Störungen besser zu verstehen und nachhaltig zu verändern,
-
die Qualität ihrer
Beziehung zu verbessern oder ihre Ehe zu retten,
-
ein vertieftes
Verständnis für die Entwicklung ihrer Kinder und deren Erziehung zu
gewinnen,
-
ihren Führerschein
wieder zu erlangen und ihre individuelle sichere Mobilität ein Leben lang
aufrechterhalte zu können.
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Die gesellschaftliche Aufgabe der Psychotherapie
All dies und noch viel mehr erscheint heute
ganz normal zu sein. So groß ist das Vertrauen der Menschen in die
Veränderungschancen von Psychologie sowie in die Wirksamkeit von
Psychotherapie seelische, aber auch körperliche Erkrankungen zu heilen, dass
die psychologischen und ärztlichen Psychotherapeuten in den 90er Jahren zur
größten Facharztgruppe in Deutschland geworden sind.
Dass die materiellen, die geistigen und
besonders auch die spirituellen Bedürfnisse der Menschen, ihr Wunsch nach
Wohlbefinden und Gesundheit, sowie ihr Bedürfnis nach Absicherung gegen
Risiken wie Krankheit oder Unfall erheblich größer geworden sind, ist gewiss
eine Stärke dieser Risikogesellschaft. Dies zeugt von einer zunehmenden
Solidarität der Menschen miteinander und von einer zunehmenden
Eigenverantwortung des Einzelnen, sein Leben selbstständig, bewusst und
partnerschaftlich zu gestalten.
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