Die
moderne Verhaltenstherapie der dritten Generation
In
der modernen Psychotherapie kam es in den 90iger Jahre zu einem Wandel der
so genannten "Dritten Welle". Mit der ersten Welle, die nach dem
zweiten Weltkrieg begann, wurde die Psychotherapie entmythologisiert und in
die Wirklichkeit der Krankheitsbilder und der seelischen Störungen, an denen
der Mensch leidet, gestellt. Mit Beginn der 60iger Jahren wurden innerhalb
der zweiten Welle der Psychotherapie das Bewusstsein der Menschen und
ihr Teil der Natur, der sie sind, in die Wirklichkeit des Patienten wieder
aufgenommen. Jetzt konnten die psychologischen Mechanismen im Gehirn, im
Denken und Fühlen und im Verhalten erforscht werden, die den Störungen des
Patienten zugrunde liegen. In der dritten Welle der Psychotherapie,
die immer noch in ihren Anfängen steckt, wurde das Verständnis der
Wirklichkeit der Störungen und Krankheiten hinterfragt. Jetzt gelang es die
Idee therapeutisch zu nutzen, dass der Mensch, wie Pflanzen und Tiere, nicht
nur lebt, sondern sein Leben bewusst zu führen und seine Lebensführung zu
verantworten hat. Damit können auch die Beschränkungen überwunden werde, die
bislang einem rein wissenschaftlichen Verständnis und einer bloß
naturalistischen Veränderung des Menschen im Wege standen.
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Neue Behandlungskonzepte - Positive
Psychotherapie
Die
dritte Welle der Psychotherapie hat meine bisherige Therapiepraxis nicht nur
bereichert, sondern auch wesentlich verbessert. Sie hat nicht nur mein
psychotherapeutisches Denken verändert, sondern mir erlaubt für meine
Patientinnen und Patienten ungenutzte Chancen für positive
Behandlungskonzepte zu eröffnen. (1) Achtsamkeit praktizieren und
alle sorgevollen Gedanken, negativen Gefühle und schmerzhaften
Körperempfindungen wahrnehmen; und damit zusammenhängend (2) Akzeptanz
einüben und alle Seiten der erworbenen Störungen, gefühlten Belastungen
und Disstresserfahrungen anerkennen und (3) die Fokussierung auf das
Ereignis realer Gegenwart richten. Die Umsetzung dieser drei
Therapieprinzipien führt zu neuen Erfahrungen, die wohl gewusst, aber nicht
immer auch sprachlich benannt werden können. Es sind volitionale
Therapieprinzipien eines Dr.-Do-Good des guten Willens und der
Charakterstärken, nicht aber affektive Zustände eines Dr.-Feel-Good, der
lehrt, dass wir uns um jeden Preis von unseren Sorgen und Schmerzen zu
befreien haben.
Patient und Therapeut der zweiten Welle der Psychotherapie arbeiten
zusammen, um in einem "Aktionsmodus" Änderung das Verhalten und die
Einstellungen des Patienten lösungsorientiert zu ändern. In der dritten
Welle geht es darum, dass Sie lernen ihre gegenwärtigen Störungen achtsam,
ohne Bewertung und ohne eine bestimmte Veränderungsabsicht wahrzunehmen, so
wie sie sind und als das zu akzeptieren, was sie sind : als Ihre Lebensform
ihres besonderen da Seins oder als ein "Seins-Modus" (Kabat-Zinn 1991) sagt.
Und erst dann, wenn überhaupt, zu handeln. Und wenn sie handeln, dann um zu
beginnen das Leben zu führen, das Ihnen wertvoll, gesund und gut erscheint.
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Charakter zählt
Das
Wort Charakter bedeutet im Griechischen Schicksal. Von Hebbel kennen wir das
Sinngedicht:
Wer
heute
Wird morgen
Und
übermorgen
Die
dritte Welle der Psychotherapie bringt die praktische Wirklichkeit von
Werten, Stärken und Tugenden in die allgemeine Therapiepraxis. Gute
Psychotherapeuten verfügen über Strategien, die auf die Verbesserung der
Stärken des Patienten und seiner liebvollen Einsicht in seine Schwächen
zielen, und die sie immer schon angewandt haben. So hat z.B. Alfred Adler
seine Patienten, die an Selbstzweifel und depressiven Verstimmungen litten,
zunächst gefragt: "Wollen Sie geheilt werden und ohne ihre
Verzweiflung leben?" Den Patienten, die bejahten, sagte er: "Dann
verschreibe ich Ihnen eine Therapie, die garantiert wirkt: Zwei Wochen lang
und an jedem Tag, tun Sie etwas, das Glück in das Leben eines anderen
Menschen bringt."
Der
amerikanische Forscher und Psychotherapeut Martin Seligman (2005) berichtet,
dass er von seiner fünfjährigen Tochter Nikki gelernt hat, eine positive
Psychologie der Stärken, nicht nur Technik seelische Störungen zu
beseitigen, an die Menschen weiterzugeben Er meint heute, dass Therapie
wirksam ist, weil sie die folgenden Werte und Charakterstärken im Leben des
Patienten lebendig werden lässt. Alle guten Therapeuten erzeugen die
folgenden therapeutischen Erwartungen. Sie helfen ihren Patienten eine
Vielfalt solcher Stärken, die in jeder guten psychotherapeutischen Beziehung
wirksam werden, zu entwickeln:
·
Mut
·
Zwischenmenschliche Fertigkeiten
·
Rationalität
·
Einsicht
·
Optimismus
·
Ehrlichkeit
·
Ausdauer
·
Realismus
·
Bereitschaft Freude zu empfinden
·
Putting troubles in perspective
·
Zukunftsbezogenheit
·
Zwecke des Willens
Diese therapeutischen Erwartungen bewirken auf lange Sicht Ihre
charakterlichen Stärken und verbessern ihren gesundheitlichen Zustand. Ihre
neue Stärke geht jedoch mehr durch das Wie als durch das Was
in der Therapiebeziehung in Ihren Charakter und Ihr Handeln ein. Deshalb ist
es wichtig, dass Sie als Patient ihre Stärken genau und für andere
nachvollziehbar beschreiben lernen. Was macht Sie zu einem guten Schüler in
der therapeutischen Beziehung? Sie können ein kleines Gedankenexperiment
machen und mit Hilfe der oben genannten Tugendbegriffen eine Liste machen;
was einen Patienten ausmacht, der zu einem guten Arzt in seinem eigenen
Behandlungsfall geworden ist. Bitte bringen Sie diese Liste in ihre erste
Therapiesitzung mit.
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Der Weg der Kontrolle
Die Kontrolle ihrer Krankheitssymptome ist nicht die richtige Antwort
Welches seelische Problem Sie auch haben, Sie können darauf wie auf ein
körperliches Problem reagieren. Sie gehen dann den Weg der Kontrolle
des Problem und der Vermeidung der Folgen des Problems. Dies ist der
naturalistische Weg, der an sich logisch, vernünftig und sprachlich auch
leicht nachvollziehbar ist. Auf diesem Weg nehmen wir seelische Probleme als
Belastungen, Störungen, Risiken oder kritische Lebensereignisse wahr, und
wir sprechen über die von ihnen ausgehenden Folgen und Nebenwirkungen für
unsere Gesundheit, unsere Arbeitsfähigkeit oder unsere individuelle
Sicherheit. Von dieser Wahrnehmung ausgehend, praktizieren wir als Therapie
ein Vermeidungsverhalten diesen Problemen gegenüber.
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Der Weg der Achtsamkeit
und Akzeptanz
Wenn wir jedoch verstehen wollen was psychische Probleme wirklich sind, dann
dürfen wir nur den Weg der Achtsamkeit und Akzeptanz gehen. Wir hören
dann immer noch auf die vielen Stimmen und Quälgeister in uns und um uns
herum, wir bauen aber eine wachsame und distanzierte Beziehung zu unseren
Wahrnehmungen, Gedanken und Stimmungen auf. Wir akzeptieren unsere Gefühle
als Gefühle, unsere Gedanken als Gedanken und glauben nicht länger, dass
unsere mentalen Ereignisse reale Ereignisse in der Welt sind oder sie
repräsentieren. Wir gehen, bevor wir neu anfangen, bewusst in Selbstdistanz
zu unseren Gedanken, Gefühlen und Impulsen oder verlangsamen oder stoppen
unsere Denkprozesse und Verhaltensmuster, damit wir mit dem Durchbruch zur
Gegenwart unseres aktuellen Verhaltens und Erlebens buchstäblich "etwas
anfangen können".
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Eine Therapiegeschichte von Milton E.
Erickson, dem größten Praktiker der Psychotherapie des 20.Jahrhunderts
Die
schönste therapeutische Geschichte, die ich dazu kenne, und die ich
vor Jahren selbst bei einem unserer Kinder auf einer Wanderung in
Garmisch-Patenkirchen angewandt habe, ist die Geschichte von Ericksons Sohn
Robert, der sich schwer verletzt hat und sehr stark blutete. Erickson
tröstet ihn nicht auf einer konventionellen Ebene. Er nimmt ihm seine
Schmerzerfahrung nicht, sondern vermittelt ihm proaktiv den Eindruck, dass
er sein Schmerzerleben akzeptiert, dass es sein eigener Schmerz ist, den er
spürt, dass seine Schmerzen nicht weg zu machen sind, dass es ein wirklich
starkes Blut ist, das hier fließt und vor allen, dass sein Schmerz wirklich
weht tut: "It really hurts", sagt er als erstes. Eine wirklich starke
Erfahrung, die das Schmerzerleben ( und wie wir aus den Ericksonschen
Geschichten wissen, auch das zukünftige Leben) von Robert langfristig
verändert hat.
Was
das Verstehen und Verändern problematischen Verhaltens und Erlebens
betrifft, so weiß ich heute, dass die in jedem Augenblick auffindbare starke
Erfahrung, die der Klienten mit seinen in die Therapie eingebrachten
Verhaltensgewohnheiten und Einstellungen macht, der Dreh- und Angelpunkt
jeder erfolgreichen Psychotherapie ist.
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Goethe hat gedichtet:
"Ich weiß, dass mir nichts angehört,
als
jener Gedanke der ungestört
durch meine Seele will fließen
und
jener Augenblick, den ein liebendes Geschick
mich von Grund auf lässt genießen."
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